ZDF Zoom Dokumentation „Arbeit auf Zeit“

Die Dokumentation „Arbeit auf Zeit – Wie der Staat seine Angestellten ausnutzt“ wurde am 1. August 2018 ausgestrahlt. Hier ist sie in der Mediathek noch zu sehen: https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-arbeit-auf-zeit-100.html

Ergänzend dazu, erschien ein Beitrag bei Zeit Online: https://www.zeit.de/arbeit/2018-08/befristung-job-arbeit-karriere-vertraege-ablauf-arbeitnehmer-recht

Zur Dokumentation und den Arbeitsbedingungen der Jugend wurde ich am 31.7.2018 bei Heute+ befragt: https://www.zdf.de/nachrichten/heute-plus/videos/staendiger-standbymodus-100.html

Ein Interview mit mir zur Doku und dem Rechercheweg gibt es bei DetektorFM: https://detektor.fm/gesellschaft/detectiv-reportage-arbeit-auf-zeit

Der Inhalt der Doku:

Von den rund 4,69 Millionen beim Staat Beschäftigten haben immer mehr einen befristeten Vertrag. Die öffentliche Hand stellt sogar noch häufiger auf Zeit ein, als die Privatwirtschaft. „ZDFzoom“ fragt: Warum setzt ausgerechnet der Staat auf befristete Jobs?

„Beim ersten Vertrag wurde mir versprochen, dass ich unbefristet weiterbeschäftigt werde. Als es dann hieß, es sei ein befristeter Vertrag, war das ein ganz schöner Schlag in die Magengrube“, erinnert sich Michaela B. Nach ihrer Ausbildung zur Krankenpflegerin arbeitete sie zwei Jahre lang befristet für ein städtisches Klinikum – in einer Branche also, in der Fachkräfte händeringend gesucht werden. Die Folgen der Befristung: Keine Chance, ein Leben zu planen, ständiger Druck auf der Arbeit – alles geben, in der Hoffnung auf die baldige Festanstellung.

Für den Wissenschaftler Dr. Christian Hohendanner vom Institut für Arbeitsmarktforschung ist klar: Wenn der Staat etwas ändern wollte, müsste er Geld in die Hand nehmen: Planstellen schaffen, die über Jahre die öffentlichen Haushalte absehbar belasten. Befristungen seien da bequemer. Und gerade im öffentlichen Dienst können sich Arbeitgeber aus einer Vielzahl an Begründungen bedienen – oder einfach ganz ohne Nennung von Sachgründen befristen. Das werde von manchem Arbeitgebern für eine Art Probezeit XXL genutzt, kritisiert der Wissenschaftler.

In Zusammenarbeit mit dem Recherchezentrum Correctiv hat „ZDFzoom“ herausgefunden: Viele Bundesländer haben gar keinen Überblick über ihre eigene Befristungspraxis. Und noch etwas fällt auf: In den letzten Jahren ist gerade auf hoher Staatsebene Befristung regelrecht zum Trend geworden. In manchem Bundesministerium ist mehr als jeder Vierte befristet. Spitzenreiter laut Umfrage für „ZDFzoom“: Landwirtschafts-, Familien- und Wirtschaftsministerium.

„ZDFzoom“ fragt Interviews bei den Ministern an, doch die Antworten sind mager: Keine Zeit. Nicht zuständig. Kein Interesse? „ZDFzoom“ konfrontiert den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bei einer Veranstaltung in Berlin. Er wolle künftig alles anders machen, seine Ministerkollegen in die Pflicht nehmen, sagt er. Im Koalitionsvertrag steht davon allerdings nichts. Dabei wäre es gar nicht so schwer, Befristungen einzudämmen. „ZDFzoom“ zeigt am Beispiel Hamburg: Die bisherige Befristungspraxis kann man auch einfach beenden, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist.

Die Recherche:

Seit vielen Jahren beschäftige ich mich nun schon mit Generationengerechtigkeit und den Arbeits- und Lebensbedingungen junger Menschen in der Bundesrepublik. Bei meinen Recherchen bin ich Ende 2016 auf eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung gestoßen, in der deutlich wurde, dass gerade junge Menschen besonders von befristeten Arbeitsverträgen betroffen sind. Ich stieg tiefer in die Recherche ein und war überrascht, wie sehr das Instrument der Befristungen nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern in hohem Maße auch im öffentlichen Dienst ausgenutzt wird.

Im April 2017 suchte ich das Gespräch mit dem Recherchebüro Correctiv. Der Plan war, von allen Bundes- und Landesbehörden die Anzahl befristeter Verträge sowie die Art, Dauer und Frequenz der jeweiligen Befristungen zu erfragen und so ein detailliertes Bild von der Befristungssituation im öffentlichen Dienst zu erhalten. Für das Thema konnte ich ZDF Zoom gewinnen. Der erste Schritt für eine Dokumentationen über Befristungen im öffentlichen Dienst war getan. Doch bei der Recherche galt es noch viele Hürden zu überwinden.

Erste Hürde:

Die erste große Hürde im Zuge dieser Recherche war die Suche nach Protagonisten. Sie begann im Sommer 2017.

Der Plan, über Gewerkschaften an Betroffene herantreten zu können ging nicht auf, da den Gewerkschaften oft selbst der direkte Kontakt zu ihren Mitgliedern fehlte. Letztlich konnte ich fast ausschließlich über mein privates Netzwerk Betroffene finden, die häufig zwar mit mir ihre Erfahrungen teilten, dies aber unter keinen Umständen – auch nicht anonymisiert – für’s Fernsehen tun wollten. Die Angst vor den Konsequenzen war zu groß, schließlich kann der Arbeitgeber bei befristet Beschäftigten den Vertrag einfach auslaufen lassen, es bedarf nicht einmal eines Kündigungsgesprächs. Die Suche nach Protagonisten zog sich also über Monate und blieb bis zum Schluss eine unsichere Angelegenheit mit der Befürchtung, jemand könnte kurz vor dem Dreh wieder absagen.

Zweite Hürde:

Die Bundestagswahlen im September 2017 und die darauffolgende Regierungsbildung führten dazu, dass der Aufbau des Films immer wieder geändert werden musste. Frühere Regierungsverantwortliche drohten Oppositionelle zu werden, später spielte das Thema Befristungen in den Koalitionsverhandlungen eine Rolle, weswegen ehemalige Minister und Parteivorsitzende das Thema öffentlich nicht kommentieren wollten oder die Verantwortung wahlweise auf ihre Vorgänger oder Nachfolger abwälzen wollten. Schließlich führte die ungewöhnlich lange Dauer der Regierungsbildung auch dazu, dass das politische Berlin lange lahmgelegt war, sich Ansprechpartner änderten, und die Punkte zu Befristungen im Koalitionsvertrag abgewartet und in die Dokumentation eingearbeitet werden mussten. Dies bedeutete auch: Gespräche mit Experten und Oppositionsmitgliedern konnten erst später geführt werden, nämlich wenn klar war, wer mit welchen Vorhaben regieren wird.

Dritte Hürde:

Von der in Zusammenarbeit mit Correctiv gestarteten breit angelegten Datenabfrage der Ministerien, Länder und Kommunen hatten wir uns erhofft, Klarheit über die Befristungspraxis des Staates in einzelnen Branchen zu schaffen. Leider ließen uns viele Behörden – trotz regelmäßiger Nachfrage – lange warten. Letztlich bekamen wir von vielen Auskunft, von einigen jedoch nicht, und zwar oft mit der Begründung, dass der zuständigen Behörden die erfragten Daten gar nicht vorliegen. Vergleiche zwischen einzelnen Bundesländern, Branchen oder zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft ließen sich so nur schwer und manchmal gar nicht erstellen.